#082 Depression ohne Antidepressiva behandeln. Mit Prof. Dr. Reinhard Maß

Shownotes

“Antidepressiva können nur eine kurzfristige, symptomatische Linderung verschaffen - der langfristige Erfolg hängt von der Auseinandersetzung mit den Ursachen ab.” Depressionen werden oft als rein biomedizinisches Problem betrachtet, doch die Realität ist komplexer. In dieser Episode spricht Nils Behrens mit Prof. Dr. Reinhard Maß über die psychosozialen Ursachen von Depressionen und alternative Behandlungsansätze ohne den Einsatz von Antidepressiva. Prof. Dr. Maß teilt seine Erkenntnisse aus jahrzehntelanger Forschung und Therapiearbeit und erklärt, warum die biomedizinische Sichtweise auf Depressionen unzureichend ist und welche Rolle Selbstverantwortung und tiefes Verständnis der Ursachen in der Therapie spielen. Er gibt Einblicke in seine Langzeitstudie zu stationären und ambulanten Behandlungsmethoden und beleuchtet die wichtige Rolle von Kindheitserfahrungen und frühkindlichen Prägungen. Ein zentrales Thema ist die konstruktive Aggression und ihre Bedeutung für die psychische Gesundheit. Abschließend vermittelt Prof. Dr. Maß eine hoffnungsvolle Botschaft: Depressionen können verstanden und aktiv überwunden werden, und zwar ohne den alleinigen Einsatz von Medikamenten. Was du in dieser Episode lernst: 🧠 Psychosoziale Ursachen: Depressionen entstehen nicht nur durch biomedizinische Faktoren, sondern auch durch soziale und psychologische Einflüsse. 💊 Antidepressiva hinterfragt: Warum Antidepressiva oft nur einen Placebo-Effekt haben und keine nachhaltige Lösung bieten. 📉 Selbstverantwortung: Wie wichtig es ist, Verantwortung für die eigene Heilung zu übernehmen und Depressionen zu verstehen, um aktiv gegen sie anzukämpfen. 👶 Frühkindliche Prägungen: Wie unsere Kindheit unser späteres Leben und unsere psychische Gesundheit beeinflusst. 💪 Konstruktive Aggression: Warum es wichtig ist, eigene Bedürfnisse klar zu äußern und Grenzen zu setzen, um psychische Gesundheit zu fördern.

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Über Sunday Natural Sunday Natural entstand aus einer langjährigen Leidenschaft und Forschung in den Bereichen Gesundheit, Heilung und Selbstentfaltung. Der Mangel an natürlichen, qualitativ hochwertigen Produkten auf dem Markt war die ursprüngliche Motivation für die Gründung von Sunday Natural im Jahr 2013. Seitdem verfolgt die Berliner Premium Nutrition Brand konsequent ihr Leitmotiv - Produkte herzustellen, die den Vorbildern der Natur folgen, absolut rein und frei von jeglichen Zusatzstoffen sind und sich mit der höchstmöglichen Qualität auszeichnen. Sunday Natural ist heute einer der renommiertesten deutschen Qualitätshersteller, mit eigener Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Berlin.

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Transkript anzeigen

00:00:00: Also wenn ich zum Beispiel nach Kindheit, nach Herkunftsfamilie frage, ist es für mich

00:00:05: umso relevanter, je weiter zurück in der Kindheit das liegt.

00:00:10: Das selbe Ereignis hat für die ganze Persönlichkeitsentwicklung viel weitreichendere Bedeutung,

00:00:17: wenn es mit fünf passiert ist, als wenn es mit zehn oder 15 passiert ist.

00:00:23: Herzlich willkommen zu "Hels weiß", dem Gesundheitspodcast präsentiert von Sanne

00:00:26: Natural.

00:00:27: Ich bin Jens Behrens und in diesem Podcast erkunden wir gemeinsam, was es bedeutet, gesund zu

00:00:31: sein.

00:00:32: Wir tauchen einen Themen wie Medizin, Bewegung, Ernährung und emotionale Gesundheit.

00:00:37: Immer mit einem Weisenblick auf das, was uns wirklich gut tut.

00:00:40: Depressionen gehören zu den häufigsten und zu gleich am wenigsten verstandenen psychischen

00:00:45: Erkrankungen unserer Zeit.

00:00:47: Trotz zahlreicher Behandlungsansätze fühlen sich viele Betroffene hilflos.

00:00:50: Doch es gibt Wege, die über Medikamente hinausführen und zu nachhaltiger Heilung beitragen können.

00:00:55: Professor Dr. Reinhard Maas ist leidener Psychologe im Zentrum für seelische Gesundheit, Marine

00:01:01: Heide und ein erfahrener Psychotherapeut im Schwerpunkt auf Depression und emotionalen

00:01:06: Störungen.

00:01:07: Seit Jahren widmet er sich der Erforschung und Behandlung dieser Erkrankung und setzt

00:01:11: dabei auf wissenschaftlich fundierte Ansätze jenseits von Antidepressiven.

00:01:15: In seinem aktuellen Buch zeigt er Wege auf, wie Betroffene durch Eigenverantwortung, Psychotherapie

00:01:20: und tiefes Verständnis der Ursache i Depressionen überwinden können.

00:01:24: Herzlich willkommen, Professor Dr. Reinhard Maas.

00:01:26: Ich grüße Sie, Herr Behrens.

00:01:28: Guten Tag.

00:01:29: Herr Professor, was haben Sie letzten Sonntag für Ihre eigene seelische Gesundheit getan?

00:01:34: Oh, gar nichts Besonderes.

00:01:37: Also, ich bin immer ganz froh, wenn ich ein freies Wochenende habe.

00:01:42: So war das.

00:01:43: Ich bin glücklich, wenn ich lange ausschlafen kann.

00:01:45: Wir hatten ein gutes Frühstück.

00:01:47: Opulent, möchte ich sagen.

00:01:49: Und abends haben wir Freunde besucht.

00:01:52: Und das war es auch schon.

00:01:54: An solchen Wochenenden kann ich mich entspannen und erholen.

00:01:57: Das ist auch wichtig.

00:01:58: Und ich glaube, Freunde zu besuchen ist ja zumindest generell für die mentale Gesundheit

00:02:02: auf jeden Fall auch immer eine gute Idee, oder?

00:02:04: Ja, so ist es.

00:02:06: Gut.

00:02:07: Sie sind ja seit einigen Jahrzehnten in der psychologischen Forschung und Therapie tätig.

00:02:11: Was hat Sie ursprünglich dazu bewegt, sich mit Depressionen zu beschäftigen?

00:02:14: Also, ich hatte verschiedene Forschungsschwerpunkte im Laufe meiner Berufstätigkeit.

00:02:18: Das fing an mit meiner Diplomarbeit.

00:02:25: Da habe ich mich mit kognitiven Beeinträchtungen bei Patienten vor und nach offenen Herzoperationen

00:02:28: beschäftigt.

00:02:29: Später, das war mein Promotionsthema, habe ich eine bestimmte Therapie von zur Warnung

00:02:34: von Bronchial Asthma untersucht, Biofeedback.

00:02:37: Dann kam eine lange Zeit, in der ich mich mit Schizophrenie beschäftigt habe.

00:02:45: Es waren verschiedene Aspekte von Schizophrenie, neuropsychologische Beeinträchtungen, die

00:02:50: Psychopathologie der Schizophrenie.

00:02:53: Die Depression wurde für mich ein Forschungsfeld in dem Maße, in dem ich mit diesen Patienten

00:03:01: auch therapeutisch gearbeitet habe.

00:03:03: Das begann vor 20 Jahren, als ich eine neue Station aufgebaut habe, eine psychotherapeutische

00:03:12: Station im Rahmen einer Allgemeinpsychiatrie.

00:03:15: Die Depression ist der größte Teil unserer Patienten, die an Depressionen leiden.

00:03:24: Dann war es für mich naheliegend, dass irgendwann auch in Zentrum meiner Forschungsinteressen

00:03:30: zurück.

00:03:31: Ja, und dann auch irgendwann in Zentrum ihres Buches.

00:03:34: Da muss man wirklich sagen, dass als mir der Verlag diesen Titel dann genannt hat, fand

00:03:39: ich das schon sehr vielversprechend, weil man muss ja wirklich sagen, in der heutigen

00:03:43: Schulmedizin ist man ja schon sehr schnell nach einem Quick Fix unterwegs.

00:03:48: Das heißt, also eine irgendwie geartete Lösung, die häufig dann eben in Verbindung mit Medikamenten

00:03:53: eingesetzt wird.

00:03:54: Da bin ich als, sage ich mal sowas eher, narkturherkundlich geprägter Mensch natürlich immer froh, wenn

00:04:00: es da auch Alternativen gibt.

00:04:01: Das heißt also, was war so die Motivation, sich A) mit diesem Thema der Alternative

00:04:05: zu beschäftigen, aber B) auch der Anschluss für dieses Buch?

00:04:08: Ja, zur Frage, warum das Buch, also wir haben uns eben in den letzten Jahren auch wissenschaftlich

00:04:18: mit Depressionen der Behandlung und den Behandlungserfolgen beschäftigt und eine Reihe von Fachpublikationen

00:04:26: auch gehabt.

00:04:27: Die haben dann zunehmend öffentliches Interesse gefunden, eine gewisse Medienpräsenz.

00:04:34: Wichtig dabei war eine Dokumentation, die vom WDR erstellt wurde, wo auch auf meiner

00:04:40: Station gedreht wurde.

00:04:41: Und darauf ist irgendwann auch der Teamverlag aufmerksam geworden, die sind an mich ran

00:04:48: getreten mit der Frage, ob ich eben auch so ein Ratgeberwerk schreiben würde.

00:04:52: Das war für mich neu.

00:04:55: Ich habe bisher Fachliteratur geschrieben, aber auch sehr interessant, sehr attraktiv,

00:05:02: weil ich das wirklich auch wichtig finde, diese Informationen in einer Weise niederzuschreiben,

00:05:10: die auch für Leyen ohne jetzt große Fachkenntnisse nachvollziehbar ist.

00:05:13: Dann würde ich Ihnen einen anderen Teil entschuldigen Sie der Frage vielleicht zurückstellen, weil

00:05:17: ich finde rein definitiv macht es vielleicht einmal Sinn, dass wir für unsere Hörer*innen

00:05:22: damit wir sie vernünftig abholen, weil wir sind dann ja sozusagen schon bei der Behandlung,

00:05:26: dass wir vielleicht einmal darüber sprechen, weil so beginnen Sie auch Ihr Buch, was ist

00:05:29: eigentlich eine Depression?

00:05:30: Und vielleicht wollen wir da einfach mal mit der Definition beginnen und kommen dann auf

00:05:33: den zweiten Teil meiner Frage vielleicht etwas später zurück.

00:05:35: Ja, man kann die Frage ganz unterschiedlich beantworten, nach je nachdem welche Perspektive

00:05:42: man einnimmt, aber das naheliegendste ist Depression als eine Reihe von Symptomen zu

00:05:51: definieren.

00:05:52: So was wie Interessenverlust, Antriebsminderung, Verlust, der an der Fähigkeit Freude zu

00:05:59: empfinden.

00:06:00: Es gibt eine Reihe von weiteren Symptomen wie Konzentrationsstörungen, natürlich

00:06:05: auch Suizidalität, Schlafprobleme, all das.

00:06:11: Wenn hinreichend viele dieser Symptome gegeben sind, hinreichend lange und schwer von der

00:06:17: Ausbringung her, dann redet man von einer Depression.

00:06:20: Es ist ja ganz interessant, dass was ja viele vielleicht gar nicht so wissen, dass ja ungefähr

00:06:26: vor 12, 14 Jahren war ja so in aller Munde immer das Thema Burnout.

00:06:32: Also das ist ja so ein Modethema vor 14 Jahren gewesen.

00:06:36: Auch da reden wir ja eigentlich von einer Erschöpfungstipression, oder?

00:06:40: Also wenn Sie mich fragen, ja, ich glaube, dass Burnout nur eine Form von Depression ist,

00:06:47: die jetzt speziell in Zusammenhang mit beruflichen Belastungen steht.

00:06:51: Aber für mich macht es gar keinen Unterschied, ob ich jetzt Burnout sage oder Depression

00:06:58: aufgrund von beruflicher Belastungen.

00:07:00: Es ist ein Modethema, das haben wir immer mal wieder in der Forschung, auch in der Versorgung.

00:07:07: Aber das Phänomen an sich ist nichts Neues aus meiner Sicht.

00:07:11: Sie kritisieren ja die vorherrschende biomedizinische Sichtweise auf Depressionen.

00:07:15: Was sind da die Hauptargumente gegen diese Perspektive?

00:07:18: Für mich ist ausschlaggebend, dass es einfach keine hinreichenden belastbaren wissenschaftlichen

00:07:28: Ergebnisse gibt, die eine biologische Sichtweise naheliegen würden.

00:07:32: Zum Beispiel die, glaube ich, sehr bekannte Serotoninhypothese, sogenannte Serotoninhypothese,

00:07:41: das stammt ursprünglich, glaube ich, aus den 1960er Jahren.

00:07:46: Da wurde das formuliert als Vermutung, dass Depression die Folge eines Mangels an einem

00:07:53: bestimmten Botenstoff im Gehirn sein könnte.

00:07:56: Serotonin wurde da zuallererst genannt.

00:07:58: Daraus wurde abgeleitet, erstmal logisch klingend.

00:08:03: Man kann Depression gut damit behandeln, indem man diesen Mangel behebt und Medikamente

00:08:09: verabreicht, die also dafür sorgen, dass mehr Serotonin an den entsprechenden Stellen im

00:08:13: Gehirn vorgehalten wird.

00:08:15: Das zum Beispiel, obwohl diese Hypothese sich hartnäckig hält, ist schon lange widerlegt.

00:08:26: Seit den 1980er Jahren wird die erheblich bezweifelt und es ist alle Übersichtsarbeiten zeigen,

00:08:33: da ist gar nichts dran.

00:08:35: Also Depression ist nicht die Folge von Serotoninmangel.

00:08:39: Das hat damit gar nichts zu tun.

00:08:41: Es gibt andere Erklärungen, biologische Erklärungen, zum Beispiel Genetik.

00:08:48: In der Tat gibt es familiäre Häufungen von Depressionen.

00:08:52: Das ist ja erstmal eine Beobachtung, die Anlass darüber gibt, über Gene nachzudenken.

00:08:59: Jedoch haben wir ja inzwischen technisch die Möglichkeiten, die Gene direkt zu untersuchen.

00:09:06: Es gibt tatsächlich genomweite Analysen, bei denen Tausende von Menschen mit Depressionen

00:09:13: verglichen wollen, mit Tausenden von Gesundem.

00:09:15: Man hat auch keine Gruppe von Genen, bei denen man sagen kann, das ist eine Voraussetzung

00:09:23: dafür und das erhöht das Risiko für Depression.

00:09:26: Es gibt viele Spekulationen, immer mal wieder, auch immer mal wieder neu, die dann auch öffentliches

00:09:34: Interesse finden.

00:09:35: Aber es lässt sich dann in der Regel einfach nicht mehr bestätigen später.

00:09:39: Und die Replizierbarkeit, also dass jedes Forschungsergebnis von jedem in der Welt wiederholt

00:09:47: werden muss, das ist nun mal ein wesentliches Prinzip der Erkenntnis.

00:09:51: Also ich könnte das fortsetzen.

00:09:54: Also langer Rede, kurzer Sinn.

00:09:56: Es gibt keine belastbaren Belege dafür, dass Depressionen irgendwie körperlich verursacht

00:10:03: wird.

00:10:04: Es gibt keinen Stoffwechsel, sei es Gene, sei es Hirnstruktur, gibt es nicht.

00:10:08: Okay, das heißt also dann mit Wehre dann ja quasi die Ubenkehrschluss, dass es eine

00:10:12: psychosoziale Ursache haben müsste?

00:10:14: Ja, das ist das, was dann übrig bleibt.

00:10:18: Es gibt soziale Faktoren, die das Risiko für Depressionen erhören.

00:10:23: Und es gibt psychologische Faktoren ebenso.

00:10:25: Und in der Regel ist es eine Kombination aus mehreren Faktoren, die zusammenkommen und

00:10:30: dann zu einer Depression führen.

00:10:32: Es ist ja ganz interessant, ich hatte jetzt nicht direkt mit ihrem Buch zu tun, aber wenn

00:10:37: ich jetzt mal so schaue, es gibt ja so ein paar Menschen wie jetzt eben den Andrew Huberman,

00:10:41: dem Neurowissenschaftler aus der Stanford University, der immer wieder darauf hinweist,

00:10:47: dass man durch den Alkoholkonsum in der Zeit, wo man kein Alkohol konsumiert, eben halt

00:10:52: auch häufig in so einem, ich sage es mal, dopamintief dann kommen kann, also eine Art

00:10:58: von depressiver Verstimmung, sage ich mal so, was dann auch reingehen könnte.

00:11:04: Das wäre ja aber dann doch eigentlich eine eher biomedizinische Sichtweise, oder?

00:11:09: Das ist eine biomedizinische Sichtweise.

00:11:12: Da gibt es ja viele, die Frage ist, was ist da dran?

00:11:16: Es gibt viele Gründe, warum jemand, der ein Alkoholabhängig ist, ein Alkoholkrank ist,

00:11:23: warum der dann auch depressiv wird.

00:11:25: Das ist sogar der Normalfall.

00:11:27: Das Patienten mit dieser Diagnose, mit diesem Problem eben auch unter Depressionen leiden

00:11:32: und genau deswegen auch trinken und unter den Folgen des Trinkens wiederum so leiden,

00:11:39: dass sie wieder depressiv werden.

00:11:41: Das sind Teufelskreise.

00:11:43: Man braucht da überhaupt keine biologische besondere Erklärung dafür.

00:11:47: Also mit dem, zum Beispiel mit Alkoholkonsum, also mit Abhängigkeit, werden so viele Schäden

00:11:56: in der Lebensweise verursacht, Stellen, die verloren werden, Partnerschaften, die in die

00:12:04: Brüche gehen, Führerschein, der verloren wird und und und.

00:12:07: Das sind hinreichende Gründe dafür, dass so jemand dann auch depressiv wird.

00:12:12: Also auch wieder eher psychosozial?

00:12:14: Ja, ja und das ist hinreichend.

00:12:17: Man braucht keine weiteren Erklärungen dafür.

00:12:19: Es ist halt immer wieder die Suche nach der biologischen Erklärung.

00:12:26: Die in vielerlei anderer Hände sich durchaus sinnvoll ist.

00:12:28: Also wenn wir jetzt an Erkrankungen, wie Dementzen denken, Alzheimer-Demenz zum Beispiel,

00:12:36: das sind klar biologisch verursachte Störungen, die sich auch psychisch auswirken.

00:12:41: Aber auf Depression bezogen ergibt es einfach keinen Sinn.

00:12:45: Verstehe.

00:12:46: Dann kommen wir doch mal zu dem eigentlichen Punkt, der ja auch mit dem Titel ihres Buches steht.

00:12:51: Sie schreiben eben über den Einfluss der Pharmaindustrie auf die Psychiatrie.

00:12:55: Und können Sie vielleicht uns da etwas mehr über die Folgen dieser Entwicklung erzählen?

00:13:02: Die Folgen dieser Entwicklung, ja, das ist im Grunde, dass die Psychiatrie sich nicht mehr

00:13:10: als eigenständiges akademisches Fach frei entwickeln kann.

00:13:15: Durch die Annäherung der akademischen Psychiatrie, also der Lehrstuhlinhaber zum Beispiel,

00:13:22: an die Pharmakonzerne und durch die Einflussnahme der Pharmakonzerne, die natürlich ihren eigenen

00:13:29: Profit im Auge haben und dafür immense Geldmittel einsetzen, ist es zu vielen Interessenkonflikten

00:13:38: gekommen bei Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in der Psychiatrie.

00:13:42: Zum Beispiel Lehrstuhlinhaber, zum Beispiel Vorstände von Fachverbänden, Herausgeber von

00:13:49: Fachzeitschriften.

00:13:51: Überall findet man Interessenkonflikte, die sind auch öffentlich bekannt, dass es in

00:13:57: mancher Hinsicht gibt es auch die Verpflichtung seiner eigenen Interessenkonflikte, also

00:14:03: hier geht es vor allem ja um die finanziellen Beziehungen zu Pharmakonzernen, die offen

00:14:07: zu legen.

00:14:08: Und aber ein offengelegter Interessenkonflikt hört nicht auf zu wirken, insofern hilft das

00:14:17: auch nicht viel weiter.

00:14:19: Es ist leider erlaubt, dass das Leute, die darüber zum Beispiel entscheiden, etwa bei

00:14:24: den Behandlungsleitungen für Depressionen, die darüber entscheiden, ob Antidepressiv

00:14:29: war, zum Beispiel empfohlen werden sollen oder nicht, dass die zugleich erhebliche Summen

00:14:34: von Pharmakonzernen beziehen.

00:14:36: Das ist bekannt, das bezweifelt auch niemand, die Personen geben das auch zum Teil selber

00:14:41: an.

00:14:42: Ja, ich stehe in einem Interessenkonflikt, aber es ist erlaubt.

00:14:46: Ich finde, das ist eine wirklich ganz schlechte problematische Praxis, aber so sieht es aus.

00:14:53: Ein Interessenkonflikt ist deswegen problematisch, weil eine Entscheidung dann eben nicht mehr

00:14:59: unbedingt im Interesse des Patientenwohls getroffen wird, sondern im Interesse eines

00:15:04: Konzerns.

00:15:05: Wenn Sie aber jetzt die Wirksamkeit von Antidepressiver infrage stellen, ist es dann so, dass Sie

00:15:13: das, was ja sehr häufig mit vielen Medikamenten assoziiert wird, ist ja, dass die Symptome

00:15:19: beseitigt werden, aber eigentlich die Wurzel nicht gepackt wird.

00:15:22: Ist es so, dass Sie jetzt sagen würden, die Antidepressiver beseitigen die Symptome

00:15:27: oder sagen Sie, nein, das tun Sie nicht mal das, sondern es ist eigentlich ein Placeboeffekt?

00:15:32: Ja, das ist ja kein Widerspruch.

00:15:36: Also die typische Methode, um die Wirksamkeit von Medikamenten und eben auch von Antidepressiver

00:15:45: nachzuweisen, ist die sogenannte Doppelblind-Studie.

00:15:49: Um das mal ganz kurz zu sagen, das sieht so aus, dass die Depression gemessen wird mit

00:15:56: bestimmten Standardverfahren zu Beginn, dann wird ein Medikament vergeben oder aber ein

00:16:03: Placebo vergeben und nach einer bestimmten Zeit, nach ein paar Wochen, wird die Depression

00:16:08: in beiden Gruppen nochmal gemessen.

00:16:10: Und die Wirkung des Medikaments ist alles das, was an Rückgang der Depression über den

00:16:21: Placeboeffekt hinausgeht.

00:16:23: Diese Differenz und die ist ohnehin sehr gering.

00:16:28: Es ist bekannt, das steht auch in den Behandlungsleitlinien, die wie gesagt sehr pharmafreundlich

00:16:35: formuliert sind, dass 75% der Wirkung eines Antidepressivums rein durch den Placeboeffekt

00:16:43: oder andere unspezifische Effekte zu erklären ist.

00:16:45: 75%, das ist ganz unstrittig.

00:16:47: Und der Placeboeffekt, also das wird oft so verstanden, Placeboeffekt bedeutet, es wirkt

00:16:54: gar nicht.

00:16:55: Das ist falsch.

00:16:56: Das Placeboeffekt ist ein ganz starker Effekt.

00:16:59: Den haben wir überall, in vielen Bereichen auch da, wo man es gar nicht vermuten würde.

00:17:04: Und die Frage ist nur, gibt es darüber hinaus eine pharmacologische Wirkung von Antidepressiva?

00:17:10: Die ist wie gesagt selbst von den Befürworter und den Verfechtern von Antidepressiva unstrittig

00:17:17: ganz gering.

00:17:18: Ganz gering.

00:17:19: Das sind 20, 25% nur über den Placeboeffekt hinaus.

00:17:23: Und es gibt Gründe anzunehmen, dass auch das noch eine Überschätzung ist.

00:17:27: Also Antidepressiva haben nachgewiesermaßen ein Placeboeffekt, der mäßig ist und der

00:17:35: kurzfristig ist, aber den gibt es.

00:17:37: Wenn ich jetzt mal so eine Messung annehme, ich weiß das zum Beispiel bei dem Thema Stress.

00:17:42: Wenn man das permanente Stressniveau von Menschen messen möchte, dann kann man das ja über

00:17:47: Bodenstoffen wie das Interleukim 6 zum Beispiel nachweisen im Blut.

00:17:52: Gibt es auch für Depression so ein wirklichen faktischen Messgröße oder ist das alles

00:17:57: auf Basis von Befragungen oder ich sage es mal, wie sieht ein Messstandard aus?

00:18:04: Ja, guter Punkt.

00:18:07: Also das, was Sie da erwähnen, das ist eine Manierbio-Marker.

00:18:10: Und es gibt Biomarker.

00:18:14: Wir haben zum Beispiel in der Pandemie, haben wir ständig Biomarker für die Infektion

00:18:18: selber messen müssen mit diesen Wattestäbchen in der Nase und so weiter.

00:18:24: Also das ist wichtig, ein diagnostisch wichtiges Instrument und seit Jahrzehnten wird, ich

00:18:31: möchte sagen verzweifelt, nach einem Biomarker für Depressionen gesucht.

00:18:35: Von all denen, die der Ansicht sind, Depression ist eine körperlich verursachte Erkrankung.

00:18:43: Dann müsste es auch ein Biomarker geben, denn gibt es nicht.

00:18:46: Manche haben es nicht gefunden.

00:18:47: Es gibt keinen.

00:18:48: Depression wird ermittelt klinisch.

00:18:52: Durch die Erfassung der Symptome, entweder in einem Interview oder in einem Selbstbeurteilungsinstrum

00:18:59: mit einem Fragebogen.

00:19:00: Und wenn genug Punkte zusammenkommen, dann redet man von der Depression.

00:19:05: Ich erinnere mich noch so am Ende der 80er Anfang der 90er Jahre.

00:19:10: Gab es ja so eine Riesenwelle, ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, die hieß ich glaube

00:19:14: Prosempic oder irgendwie so, eine Antidepressivung, was so richtig und wo?

00:19:19: Proseck, Proseck, Proseck hieß es, genau.

00:19:22: Proseck, das wurde ja richtig, das hat ja fast irgendwie popkulturelle Ausmaße dann

00:19:27: eigentlich angenommen.

00:19:28: Gibt es das heute noch eigentlich oder ist das im Grunde eigentlich einer genau von diesen

00:19:32: Antidepressivern, die Sie, sage ich mal, jetzt hier so ankreiden und die aber immer

00:19:37: noch verschrieben werden?

00:19:38: Ja, Proseck ist der Handelsname in den USA gewesen.

00:19:41: Der Wirkstoff ist Floksetin.

00:19:43: Das ist das erste sogenannte SSRI, also Serotonin, selektiver Serotonin-Wiederaufnahmehemmer.

00:19:53: Das ist heute noch in Gebrauch und es gibt inzwischen viele andere.

00:19:58: Der größte Teil der heutzutage verschriebenen Antidepressiver gehört dieser Wirkstoffklasse

00:20:04: an.

00:20:05: Ja, das war damals ein riesiger Hype, möchte ich sagen und mit sehr viel Heizversprechungen

00:20:12: und großen Erwartungen.

00:20:13: Es gab da ein sehr, sehr bekanntes Buch, "Listening to Proseck".

00:20:20: Also höre was Proseck das Antidepressivum sagt, also sehr, sehr pro Antidepressiver

00:20:27: formuliert.

00:20:28: Interessant ist das Irving Kersch, der erste und glaube ich bis heute prominenteste und

00:20:36: einer der schärfsten Kritiker von Antidepressiver.

00:20:43: Der hat damals schon ein Fachartikel geschrieben, den er nannte "Listening to Proseck but hearing

00:20:51: placebo".

00:20:52: Okay, also da sind wir wieder bei dem Thema.

00:20:55: Was mich interessieren würde in dem Zusammenhang, also da mag ich jetzt biochemisch vielleicht

00:20:59: nicht ganz so tief drin sein, aber meines Wissens ist ja Serotonin quasi das eine

00:21:06: Hormon, was sich irgendwann in Melatonin umwandelt, sag ich mal so.

00:21:11: Serotonin und Melatonin hat glaube ich nicht so viel miteinander zu tun.

00:21:15: Also Serotonin ist, gehört zu den sogenannten Neurotransmittern, also den Botenstoffen mit

00:21:24: denen Zellen miteinander kommunizieren.

00:21:26: Da gibt es verschiedene.

00:21:29: Neuadrenalin ist auch einer der in Zusammenhang mit Depressionen hochgehandelt wurde.

00:21:37: Okay, das heißt also eine Zusammenhang mit Melatoninproduktionen ist nicht gegeben?

00:21:42: Ne, das ist glaube ich eine andere Ecke.

00:21:47: Gut, dann verlassen wir die mal, weil ich hätte jetzt angenommen, dass wenn man in

00:21:51: seinen Serotonin-Haushalt eingreift, dass es natürlich dann auch einen Auslögen auf

00:21:55: den Schlaf haben müsste.

00:21:57: Also die SSIs gelten eher als antriebssteigend, so wird es von den Pharmakonzernen formuliert,

00:22:11: dass die also eher bei zu viel Schlaf, zu viel Müdigkeit, bei Antriebsminderung helfen

00:22:17: in den Tag zu kommen.

00:22:19: Als Schlaffördernd gelten eher andere Gruppen von Antidepressiver.

00:22:25: Ich habe ja auch nur gesagt, dass es einen Einfluss nimmt.

00:22:28: Aber schauen wir mal, Sie schlagen in Ihrem Buch ja vor, Depression ohne Medikamente

00:22:32: zu behandeln.

00:22:33: Können Sie vielleicht an dieser Stelle unsere Hörer in meinem Mitnehmen, wie denn so etwas

00:22:36: ablaufen könnte?

00:22:37: Ja, wir setzen, ich leite ja wie gesagt eine Station, auf der wir schwerfunkmäßig Patientinnen

00:22:46: und Patienten mit Depression behandeln.

00:22:47: Das ist eine psychotherapeutisch arbeitende Station.

00:22:51: Wir versuchen also zu verstehen aus den psychologischen und sozialen Hintergründen jedes Patienten,

00:23:00: warum ist er depressiv geworden?

00:23:02: Warum ist die Depression bis heute nicht abgeklungen?

00:23:05: Warum kommt der Patient gerade jetzt?

00:23:09: Und auf diesem Verständnis basieren, entwickeln wir ein Behandlungskonzept.

00:23:14: Das ist ein intensiver psychotherapeutischer Prozess, den wir in Gang setzen und der meistens

00:23:21: auch dazu führen, dass die Depression zurückgeht und nachhaltig.

00:23:24: Sie widmen einen Kapitel der Selbstverantwortung.

00:23:28: Was bedeutet dieser Begriff im Bezug auf Depression?

00:23:31: Ja, Selbstverantwortung ist ein psychotherapeutisches Konzept, das auf unserer Station doch im

00:23:38: laufenden Jahr immer mehr Bedeutung bekommen hat.

00:23:41: Eigentlich ist das ein alter Hut Selbstverantwortung.

00:23:44: Jeder psychotherapeut weiß, dass das wichtig ist für Patienten, entweder eine gute Voraussetzung

00:23:55: überhaupt um von psychotherapie zu profitieren oder wenn die Selbstverantwortung nicht gegeben

00:24:00: ist, ist das eben das vorrangige Therapieziel, sowas erstmal aufzubauen.

00:24:04: Wir verstehen unter Selbstverantwortung eine innere Haltung, eine Bereitschaft zu akzeptieren,

00:24:12: dass jeder Mensch oder die betreffende Person verantwortlich ist für alle Entscheidungen,

00:24:18: die sie trifft, die sie selbst trifft, verantwortlich für alles, was sie tut, ihr gesamtes Handeln

00:24:25: und für alle Konsequenzen, die sich daraus ergeben im Guten wie im Schlechten.

00:24:31: Die Bereitschaft, sich selber dafür zuständig zu fühlen, das ist das, was wir unter Selbstverantwortung

00:24:36: verstehen.

00:24:37: Aber ist es dann im Grunde genommen nicht eine Grundvoraussetzung, dass die Patienten,

00:24:43: die zu ihnen kommen, auch eine Erkenntnis haben, dass sie wissen, dass sie ein Problem haben

00:24:49: und auch die Bereitschaft ist zu ändern?

00:24:52: Also das Wissen, dass ein Problem da ist, also der Leidensdruck, der ist natürlich da, sonst

00:24:59: würden die Patienten ja gar nicht die Mühen auf sich nehmen, die jetzt mit einer vollstattenden

00:25:03: Behandlung verbunden sind.

00:25:05: Was meistens fehlt ist das Verstehen, warum es zu dieser Erkrankung gekommen ist, warum

00:25:13: man überhaupt in diesem depressiven Zustand ist.

00:25:15: Also ich mache immer wieder die Erfahrung, also wenn ich Patienten kennenlerne, die neu

00:25:20: auf die Station gekommen sind, ist meine Standard-Eingangsfrage, was können wir denn für sie tun, wie

00:25:25: können wir ihnen helfen?

00:25:27: Und die Antwort ist unterschiedlich, aber fast immer ist es irgendeine Art von "Ich möchte,

00:25:33: dass es mir besser geht".

00:25:34: Und das ist logisch, aber das wusste ich vorher.

00:25:39: Es ist ein guter Einstieg ins Gespräch, denn noch weil meine nächste Frage dann lautet

00:25:44: ja, was muss denn passieren, damit es ihnen besser gehen kann, was muss sich ändern?

00:25:49: Und dann ist bei, ich möchte sagen, über 90 Prozent aller Patienten schon Fehlanzeige.

00:25:55: Aber es ist gut, trotzdem diese Frage zu stellen, weil es bei den Patienten ein Prozess

00:26:04: in Gang setzt, darüber nachzudenken, ja warum geht es mir eigentlich so schlecht?

00:26:10: Und könnte man die Gründe für die Depression in irgendeiner Form klastern?

00:26:16: Also gibt es da eine Art von, sag ich mal sowas, Themengebiete, Bereiche, wo man sagt, okay,

00:26:22: das gehört, dass man sagt, okay, da ist irgendwie Glaubenssätze aus der Kindheit, das liegt

00:26:27: vielleicht an Enttäuschung, beruflicher Natur, keine Ahnung, was.

00:26:31: Gibt es eine Art von Klasterungen, wo Sie sagen, das sind die Gründe?

00:26:35: Sicherlich, ja.

00:26:36: Also das kann man aber auch auf ganz unterschiedlichen Ebenen betrachten.

00:26:39: Also grundsätzlich gibt es nicht die eine Ursache, weswegen ein Mensch depressiv geworden

00:26:47: ist, sondern es ist eine Kombination und es ist eine Kombination von innerpsychischen

00:26:53: und äußerlichen sozialen oder socioeconomischen Belastungen.

00:26:57: Ich will ein Beispiel mal geben, also zum Beispiel jemand, ein Mann vielleicht 50 oder so, der

00:27:10: beruflich qualifiziert ist und lange gearbeitet hat und sehr erfolgreich gearbeitet hat und

00:27:16: auch stolz darauf war und auch in gewissen Ärgerz hatte, viel Überstunden gemacht hat, der

00:27:25: verliert aus irgendeinen Grund, den er gar nicht selber zu verschulden hat, vielleicht

00:27:30: durch irgendeine betriebliche Umstrukturierung, wo sein Arbeitsbereich plötzlich überflüssig

00:27:34: wird oder sonst irgendwas, er verliert seine Stelle.

00:27:37: Das ist immer, das ist immer schwer, das ist ein belastendes Lebensereignis und es geht

00:27:43: einem natürlich nicht gut dabei, aber man wird deswegen nicht zwangsläufig depressiv.

00:27:47: Manche Menschen aber schon, warum, das ist interessant, was unterscheidet die von anderen

00:27:53: und typischerweise könnte das in dem Fall jetzt sein, dass das jemand ist, der von klein

00:28:00: auf an vielleicht durch entsprechende Bemerkungen von den Eltern vom Vater kein gutes Selbstwertkonzept

00:28:08: entwickelt hat, der sich im Grunde für minderwertig hält, vielleicht auch nicht so liebenswert.

00:28:15: Wenn so Äußerungen, die manchmal von den Eltern vielleicht noch nicht mal so gemeint

00:28:20: waren, aber aus dir wird doch nie was oder du hast zwei linke Hände oder dann, Bruder

00:28:24: kann das alles viel besser oder sowas, dass das setzt sich oft fest, wenn da hinter jeden

00:28:31: falls eine tatsächlich so eine Haltung der Eltern steckt und führt dazu, dass sich

00:28:35: ein negative Selbstwertkonzept entwickelt, das irgendwie kompensiert werden muss.

00:28:40: Ja und häufig und es funktioniert auch, das ist durchaus ein Erfolgskonzept, wird dieses

00:28:47: Defizit an Selbstwert kompensiert durch besondere Leistungen, durch Anerkennung im Beruf, durch

00:28:55: Erfolge, die man vorweisen kann und dann ist es wieder im Gleichgewicht.

00:28:59: Dann beweist jemand sich und vor allen Dingen anderen immer wieder, ich bin doch was wert.

00:29:04: Man sieht solchen Leuten gar nicht an, dass die im Grunde ein hohes Risiko haben, einen

00:29:10: hohen Risikofaktor depressiv zu werden, weil die, solange sie erfolgreich sind, stehen

00:29:15: die gut im Leben da und sind ja auch besonders motiviert, steigen oft aufberuflich und haben

00:29:22: gutes Einkommen, also man merkt denen nicht an, dass da irgendwie ein Wurm drin ist, aber

00:29:29: dann, wenn diese, diese Kompensation wegfällt, dann kommt dieses negative Selbstwertkonzept,

00:29:37: das nie in Frage gestellt wurde, sondern immer nur ausgeglichen wurde, das kommt dann

00:29:41: voll zur Wirkung und dann kann es zum Abschlusskanzer Depression.

00:29:45: Ganz interessant, ich hatte mal in einem anderen Podcast ein Gespräch mit einer Psychoenlogin

00:29:51: zu dem Thema, die sagte, es gibt so sechs zentrale Lebensbereiche, es hat so ein bisschen wie

00:29:56: so ein sechsbeinigen Tisch für dann beschrieben, dass man sagt, okay, man hat das Thema Beruf,

00:30:00: man hat eine Familie und Partnerschaft, man hat das Thema soziale Kontakte, man hat

00:30:04: die Invalidät oder Hobbys, dann hat man der Glauben oder so eine gewisse Spiritualität

00:30:08: und dann hat man das Thema Gesundheit.

00:30:10: Und es ist ja ganz häufig so, dass Menschen, insbesondere jetzt vielleicht im Burnout gefährdete

00:30:14: Menschen, dass die sich nur auf diese Säule Beruf konzentrieren, dadurch verlaachleißen

00:30:18: sie ihre Familie und Partnerschaft, ihre sozialen Kontakte, ihre Hobbys, ihre Spirulität und

00:30:23: häufig auch ihre Gesundheit.

00:30:24: Das heißt, man steht dann sowieso nur noch auf einem Bein und wenn dann, wie Sie es gerade

00:30:27: sagen, dann diese Säule auch noch erschüttert wird, dass das dann ja häufig dann der Punkt

00:30:31: ist, wo dann der Tisch auch wirklich umfällt.

00:30:33: So ist es.

00:30:34: So ist es.

00:30:35: Das ist sicherlich ein sinnvolles Konzept, das so in sechs Bereiche zu gehen.

00:30:39: Es gibt viele andere Konzepte auch.

00:30:41: Damit kann man gut arbeiten und vielleicht systematisch so die Bereiche abklappern.

00:30:45: Wir machen das ein bisschen anders.

00:30:48: Wir gehen ganz offen ran und fragen und arbeiten mit den Patienten so lange, bis wir einfach

00:30:55: so ein individuelles Erklärungsmodell entwickelt haben.

00:30:58: Das machen wir.

00:31:00: Das wird auch festgehalten mit den Patienten besprochen.

00:31:06: Und natürlich würde sich das alles in zum Beispiel solche sechs-Geliterigen-Modelle

00:31:13: einordnen lassen.

00:31:14: Aber so arbeiten wir nicht.

00:31:16: Dann darf ich aber trotzdem mal fragen, das Thema Psychotherapie ist ja ein sehr breites

00:31:20: Feld.

00:31:21: Da gibt es ja verschiedene Therapieformen.

00:31:24: Welche ist denn sozusagen, also wie würden Sie denn die Therapieform, die Sie anwenden,

00:31:29: namentlich benennen oder wie wäre das passende Lehrbuch dazu?

00:31:33: Also ich bin Verhaltenstherapeut.

00:31:36: Und so kann alles, was ich sage, ist natürlich ein bisschen befangen.

00:31:39: Aber dennoch, also ich halte nicht viel davon, jetzt so eine therapeutisch-schulische Arroganz

00:31:51: an den Tag zu legen.

00:31:52: In dem Sinne, meine Therapieform ist viel besser als meine, d.h. Tiefenzuliege oder Gesprächsherabene

00:31:59: oder sonst was.

00:32:00: Ich glaube, dass das, also jeder Therapeuten muss die Schule finden und die Arbeitsweise

00:32:08: finden, in der er sich selber am besten wohlfühlt.

00:32:10: Dann kann er auch gut sein in seinem Beruf.

00:32:12: Und es gibt gute und schlechte Therapeuten in jeder Therapierichtung.

00:32:17: Ich fühle mich als in der Vereinstherapeut, weil ich da den Anden hab, ich kann machen,

00:32:23: was ich will, was ich für richtig halt.

00:32:25: Und das ist alles unter dem Dach der Vereinstherapeut einzurichten.

00:32:28: Wobei ich zugegebenermaßen ein relativ breites Konzept habe.

00:32:33: Also ich habe in Hamburg an einem Institut meine Ausbildung gemacht.

00:32:38: Damals hieß es noch, ist egal.

00:32:41: Also meine Therapieausbildung und das nennt sich biografisch-systemische Verhaltenstherapie.

00:32:50: Und da stecken im Grunde zwei verschiedene Hinweise drin.

00:32:56: Also neben dem Verhaltenstherapeutischen, was natürlich mit Übungen, mit Lernen, mit

00:33:02: Expositionen usw. zu tun hat, steckt da eben auch drin die Beachtung der Biografie, der

00:33:08: prägenden Erfahrungen, die eben zum Beispiel so was wie ein Selbstwertkonzept, das ist

00:33:14: nicht angebohnt, das fällt nicht vom Himmel, das ergibt sich aus Biografischen Konstellationen.

00:33:18: Und das andere systemisch ist eben genauso wichtig, dass man einen Patienten in seiner

00:33:27: Störung erst dann richtig verstehen kann, wenn man auch weiß, in was für einem sozialen

00:33:32: System, in was für einem Befügel lebt.

00:33:34: Das fängt an bei der Partnerschaft, bei seinem sonstigen sozialen Umfeld.

00:33:39: Und oft liegen auch da genau die Auslöser für die aktuelle Depression, zum Beispiel

00:33:45: in einem chronischen Beziehungskonflikt.

00:33:47: Und das ist wichtig natürlich dann zum Beispiel Partner oder Partnerin mit einzubeziehen in

00:33:52: die Behandlung.

00:33:53: Okay, ich verstehe.

00:33:54: Das heißt, also wenn ich mir das jetzt so vorstelle, Sie hatten ja eben gerade mal ein Beispiel

00:33:58: aufgemacht, ein 50-jähriger Mann, der bis hier in erfolgreich war, verliert seinen Job,

00:34:02: fällt in eine Depression, also erkrankt an einer Depression.

00:34:07: Wird depressiv.

00:34:08: Wird depressiv, danke, danke.

00:34:10: Wird depressiv und dann kommt er zu Ihnen so.

00:34:13: Und dann sind Sie im Grunde genommen eigentlich derjenige, der ich sage jetzt mal von der

00:34:18: Kindheit an das betrachtet und bis heute und sich im Grunde genommen diese ganzen Faktoren

00:34:23: anschaut.

00:34:24: Das heißt, was sind die frühkindlichen Prägungen oder was sind generelle Prägungen?

00:34:27: Was ist das, was von außen auf ihn reinkommt und was ist sozusagen aber auch das, was vielleicht,

00:34:34: ich sage mal so, sich auch über eine gewisse Zeit, das muss ja nicht mal kindlich gewesen

00:34:38: sein, sondern auch auf andere Wege aufgebaut hat.

00:34:40: Hab ich das so weit richtig verstanden?

00:34:42: Ja, also für uns ist, also wenn ich zum Beispiel nach Kindheit, nach Herkunftsfamilie frage,

00:34:52: ist es für mich umso relevanter, je weiter zurück in der Kindheit das liegt.

00:34:57: Das selbe, das selbe Ereignis hat für die ganze Persönlichkeitsentwicklung viel weitreichendere

00:35:03: Bedeutung, wenn es mit fünf passiert ist, als wenn es mit zehn oder 15 passiert ist.

00:35:10: Und das, sozusagen insofern, wenn ein Elternteil zum Beispiel krank wird oder stirbt, wenn

00:35:21: das jemandem passiert, der in seinen 20ern ist.

00:35:24: Das ist natürlich trotzdem traurig und belastend, aber für die eigene Automierendwinkelkart

00:35:29: das bei weitem nicht die gleichen Folgen, wie wenn das einem fünfjährigen passiert,

00:35:33: der dann schon einen Elternteil verliert oder erlebt, es ist krank, mein Vater oder man

00:35:38: beleidet.

00:35:39: Das ist prägend und hat viel mehr Folgen für die weitere Lebensgestaltung.

00:35:46: Gut, verstehe ich.

00:35:49: Und ich kann mir aber vorstellen, dass das schon hier wirklich sehr, sehr schwer ist,

00:35:53: das zu finden.

00:35:54: Also ich hatte jetzt gerade ein Gespräch von jemandem mitbekommen, der sagte so auf die

00:35:59: Frage, hattest du eine glückliche Kindheit?

00:36:01: Er erstmal sagte ja.

00:36:02: Und ich glaube, dazu geht es ja vielen, weil wir Menschen tendieren ja auch dazu, immer

00:36:05: ein bisschen zu idealisieren im Nachhinein.

00:36:07: Und als er sich dann mal tiefer damit auseinandergesetzt hat, eben hat auch mit therapeutischer Hilfe,

00:36:13: stellte sich eben heraus, dass ich da doch gewisse Glaubenssätze, Prägungen, Muster dann

00:36:18: einfach doch ergeben haben über so eine Zeit.

00:36:22: Aber ich finde, also ich stelle mir diese, ich sage mal, fast dediktivische Arbeit unheimlich

00:36:31: schwierig vor.

00:36:32: Ist es tatsächlich auch so, dass Sie daran auch mal scheitern, das ist jetzt ein komisches

00:36:37: Wort, aber ...

00:36:38: Das ist recht gelingt.

00:36:39: Ja, ja, ich trage auch nicht.

00:36:41: Die Frage ist berechtigt.

00:36:42: Ja, Sie haben völlig recht.

00:36:44: Also das ist fast schon ein Klassiker, wenn ich nach der Kindheit frage.

00:36:50: Meine Mutter war liebevoll und fürsorglich und mein Vater hat immer viel gearbeitet.

00:36:55: Aber wenn er da war, hat er gerne mit uns gespielt.

00:36:57: Das ist fast ein Stereotyp und es stimmt eben meistens nicht.

00:37:03: Also es gibt keine Kindheit, in der alles ideal verlaufen ist.

00:37:07: Das muss es aber auch nicht sein.

00:37:09: Also wir brauchen keine idealen Eltern, um uns heifwegs gesund entwickeln zu können.

00:37:14: In einer gewissen Robustheit haben wir, sonst wären die Menschen schon längst ausgestorben.

00:37:17: Aber es hängt eben davon ab, die meisten Eltern meinen es gut und wollen alles richtig machen,

00:37:25: aber haben oft auch eigene Probleme, eigene Beschränkungen, eigene Belastungen, die sich

00:37:33: dann negativ auf ihr Verhalten gegenüber den Kindern auswirken.

00:37:37: Das ist meistens ganz unverschuldet.

00:37:42: Also etwa ein chronischer Partnerschaftskonflikt zwischen den Eltern.

00:37:47: Der Vater trinkt und wird aggressiv und schlägt die Mutter oder schimpft und streitet die

00:37:54: Mutter.

00:37:55: Er ist hinterher ganz traurig und weint auf dem Sofa.

00:37:57: Das Kind kommt anfängt zu trösten solche Geschichten.

00:38:00: Und das ist, ja, Sie haben recht, das ist Detektivarbeit, das herauszufinden.

00:38:08: Es ist eben aber wirklich auch ein Problem, wenn man sich damit begnügt.

00:38:14: Wenn man erst mal sagt, aha, meine Kindheit war gut, dann macht man, wenn man das nicht

00:38:20: gut macht, dann stellt man artig die Frage nach der Kindheit in der Ergosamie und der

00:38:26: Patient gibt dann diese Antwort und man macht einen Haken dran und sagt, aha, also in der

00:38:30: Kindheit war wohl alles in Ordnung.

00:38:32: Ich habe ehrlich gesagt den Verdacht, es gibt ja den Mythos der sogenannten endogenen

00:38:37: Depressionen.

00:38:38: Also ich sage jetzt Mythos.

00:38:40: Das ist ein älterer Begriff, endogen bedeutet eben aus dem Inneren heraus kommend biologisch,

00:38:48: nicht psychologisch oder sozial verursacht, endogen von Inkom.

00:38:53: Ich habe so den Verdacht, dass diese Idee aufgekommen ist, einfach weil Leute nicht

00:38:58: genau genug nachgefragt haben.

00:39:00: Gerade wenn man auch als Therapeut oder als Wissenschaftler, wenn man sozusagen ein biologisches

00:39:07: Krankheitsmodell im Kopf hat, dann sucht man natürlich auch eher nach den biologischen

00:39:11: Erklärungen und ist dann vielleicht nicht ganz so sorgfältig und konsequent, wenn es

00:39:16: um die psychosozialen Faktoren geht.

00:39:18: Die Patienten liefern das nicht immer uns so, wie wir das haben wollen, wie wir das

00:39:23: gerne hätten.

00:39:24: Das ist ein ganz wesentlicher Teil der therapeutischen Arbeit und für mich ist das bei jeder Behandlung

00:39:30: der anstrengendste Teil meiner Arbeit, wenn ein Patient neu auf die Station kommt, ihn

00:39:35: zu verstehen.

00:39:36: Mit diesen simplen Fragen, warum ist er krank geworden und warum ist er nicht von alleine

00:39:41: wieder gesund geworden?

00:39:42: Ganz einfache Fragen, aber die Antwort darauf zu finden, das ist harte Arbeit in Deutsch

00:39:47: und ich finde es ganz interessant.

00:39:50: Ich hatte jetzt gerade wirklich zwei Personen, die da sehr offen darüber gesprochen hatten,

00:39:54: und bei denen war eigentlich...

00:39:55: die Erkenntnis, sprich eben halt dieses Aufdecken der Glaubenssätze eigentlich schon auch fast

00:40:02: der größte Teil der Therapie. Das fand ich ganz interessant, dass es tatsächlich so

00:40:05: war, dass dann in dem Augenblick, wo es dann auf einmal so klar wurde, dass dann einfach

00:40:10: sie sich, das war in dem Fall in beiden Fällen so ein bisschen Beziehungsmuster geprägt,

00:40:15: sage ich mal so, aber dass sie im Grunde eigentlich sagen, die eine sagte eben halt,

00:40:19: Frauen haben ihn eben halt immer verlassen, die andere sagte eben halt, dass sie grundsätzlich

00:40:22: bei ihren Liebsten nie die Priorität hatte, die sie gern haben wollte, so. Aber alleine

00:40:26: dieses Reduzieren auf so eine Art von Glaubenssätzen oder von Prägungen hat bei denen eigentlich

00:40:33: schon, ich würde jetzt mal behaupten, 80 Prozent des Behandlungserfolges dann auch ausgemacht.

00:40:37: Ja, das würde ich, 80 Prozent vielleicht nicht, aber das ist ein ganz wesentlicher Moment,

00:40:43: ist das kann ich absolut bestätigen. Das ist im Grunde meine Erfahrung, wir haben so

00:40:48: zwei bis drei Aufnahmen pro Woche, also ich führe zwei bis drei Mal pro Woche solche Gespräche

00:40:53: und mache immer wieder die Erfahrung, dass das, also wenn man denn am Ende des Gespräches

00:40:58: so ein Verständnis entwickelt hat, dass das ein ganz aufwührender Moment ist, ein ganz,

00:41:03: ganz emotionaler Moment auch, dass da die Tränen fließen und wirklich die Patienten, ich frage

00:41:10: sie natürlich auch immer, wie geht es ihnen denn jetzt damit? Und es ist immer so was,

00:41:16: also in den meisten Fällen kriege ich dann so eine Antwort wie, also ich bin jetzt ganz

00:41:21: traurig und auch vielleicht auch wütend und so, aber es geht mir im Grunde auch gut, weil

00:41:26: ich zum ersten Mal richtig verstanden habe, wieso immer wieder das und das und das passiert.

00:41:31: Zum allerersten Mal ergibt das für mich auch irgendwie eine Art von Sinn. Das ist eine

00:41:37: gute Basis für die weitere Behandlung. Man kann darauf immer wieder zurückgreifen auf

00:41:44: das, was man da herausgearbeitet hat und also so wie retrospectiv dann der Leben oder die

00:41:51: Leidensgeschichte einen roten Faden bekommt, hat man dann auch für die weitere therapeutische

00:41:56: Arbeit einen Leitfaden entwickelt. Sie berichten von einer Langzeitstudie in ihrem Zentrum.

00:42:02: Welche wichtigen Erkenntnisse konnten Sie denn daraus gewinnen? Ja, die Langzeitstudie

00:42:07: wurde auf meiner Station durchgeführt. Ich habe 2015, meine ich, damit angefangen und

00:42:14: das Ziel war einfach erst mal nur herauszufinden, welche Erfolge haben wir mit unserer vollstaftigen

00:42:24: Behandlung insgenommen, also mit dem Gesamtkonzept mit allem, was dazu gehört, Psychotherapie,

00:42:28: Pharmakotherapie, Arbeitstherapie, Ergotherapie, Sportangebote und alles zusammen. Und

00:42:35: habe dann eine ganze Wahl, also jeder Patient, der aufgenommen wurde, es hat teilgenommen,

00:42:43: also es gab auch tatsächlich keinen Patienten, der gesagt hat, möchte ich nicht. Also es ist

00:42:46: wirklich eine Kompleterhebung und nach, als wir knapp 600 Patienten zusammen hatten,

00:42:53: das war Ende 2017, habe ich dann gedacht so, das lohnt sich, jetzt werde ich das mal aus.

00:43:00: Das Ergebnis war also, wir haben geguckt, wie verändert sich die Depression, weil das ist

00:43:06: so der gemeinsame Nenner, weswegen Patienten überhaupt die Stationen, die vollstationäre

00:43:11: Hilfe suchen, egal was die Diagnose ist, egal was sonst der individuelle Hintergrund ist,

00:43:17: es mündet alles in einem depressiven Zustand, der vollstationär behandelt werden muss.

00:43:22: Deswegen habe ich das als Kennwert genommen. Also das Ergebnis war erfreulich, also die

00:43:29: Station, die vollstationäre Behandlung hat einen ausgesprochen starken Effekt, die Depression

00:43:36: geht sehr stark zurück und noch wichtiger. Wir wollen natürlich, dass unseren Patienten am Ende

00:43:42: der Behandlung gut geht und besser als vorher, das tut sich, das ist so. Aber wir wollen natürlich,

00:43:49: dass das nach Ende der Behandlung bei Entlassung, wenn die Patienten wieder in ihr richtiges Leben

00:43:54: zurückgehen, auch noch anhält. Deswegen haben wir die Patienten auch ein halbes Jahr nach Entlassung

00:43:59: angeschrieben und ihnen den Bogen nochmal geschickt, den Depressionsfragebogen und die meisten

00:44:04: haben geantwortet und konnten, wir konnten eben da finden, dass der gute Zustand am Ende der

00:44:10: Behandlung zu immerhin 70 Prozent immer noch gegeben ist, auch ein halbes Jahr später. Damit kann

00:44:17: man so ganz zufrieden sein. Es zeigt mir natürlich auch, dass es eben auch immer ein Teil gibt,

00:44:22: der schwer erreichbar ist. Das ist so, auch Psychotherapie ist kein Wundermittel. Aber das war

00:44:27: gut. Ein starker Effekt, der auch ein halbes Jahr nach Entlassung immer noch ein starker Effekt war,

00:44:32: verglichen mit dem Zustand bei Aufnahme. So, es war gar nicht die Intention dieser Studie zu

00:44:39: gucken, wie wirkt denn die Antidepressiv war. Das ergab sich bei der Arbeit mit den Daten. Die

00:44:47: Medikamente werden dokumentiert, also das konnten wir sehr genau auch feststellen, welche Antidepressiv

00:44:55: haben die Patienten bei Aufnahme bekommen, welche bei Entlassung, was hat sich da getan. Und dann

00:45:00: zu meiner Überraschung damals noch, hat sich herausgestellt, es macht gar keinen Unterschied.

00:45:06: Also, ob die Patienten ohne Antidepressiva bekommen zur Aufnahme und von uns auch keine bekommen,

00:45:13: oder damals war das noch so, ob wir ihnen von uns aus Antidepressiva verordnen als Teil unserer

00:45:21: Behandlung oder andersrum, die Patienten kommen mit einem Antidepressiv und behalten es auch unverändert

00:45:27: bei während der Behandlung oder aber sie setzen das aus irgendwelchen Gründen während der Behandlung

00:45:31: ab. Oder es wird irgendwas verändert, die Dosis verändert, das Präparat verändert. Egal was,

00:45:38: es hat überhaupt keine Auswirkungen auf den Behandlungserfolg gehabt und das habe ich nicht

00:45:43: verstanden. Weil, also ich habe ohnehin keine so hohen Erwartungen an die Depressiva gehabt,

00:45:51: aber ich habe gedacht, ein bisschen bringt es, gerade bei schwierigen Behandlungsverläufen,

00:45:56: wo die Psychotherapie nicht so gegriffen hat, habe ich selber durchaus manchmal die Empfehlung

00:46:02: abgegeben, bei denen sollten wir Antidepressivungen einsetzen. Also ich hatte da überhaupt gar keine

00:46:06: Vorbehalte, ich habe auch keine besonderen Wunder erwartet, also das ist so funktionieren

00:46:12: Antidepressiva ja ähnlich, dass man nimmt sie und halbe Stunde später geht es einem gut oder am

00:46:17: nächsten Tag, aber ein bisschen effekt hätte ich, aber ich habe vergeblich danach gesucht. Das war

00:46:23: Ende 2017, ich habe dann angefangen mich einzulesen in die Fachliteratur. Es gibt einmal natürlich

00:46:30: diese kaum überschaubare Menge an Doppelblind-Studien, die ja einen Therapieeffekt nachweisen,

00:46:37: angeblich, aber es gibt auch sehr, sehr viel kritische Fachliteratur schon seit Jahrzehnten und

00:46:46: damit habe ich da wie mich eingelesen und dann ist mir das klar geworden, warum wir keinen Effekt

00:46:52: von Antidepressiva gewonnen haben, weil sie eben nicht gegen Depression helfen, außer dem Placebo-Effekt,

00:46:59: aber wir haben auch keinen Placebo-Effekt auf der Station gehabt, wir haben gar keine Effekt gehabt.

00:47:04: Und für mich war die Konsequenz, also eine therapeutische Maßnahme wie ein Medikament,

00:47:11: das auf jeden Fall Nebenwirkungen hat, schädliche Nebenwirkungen, aber keinen

00:47:15: therapeutischen Nutzen, das ist gar nicht vertretbar für mich gewesen, das dann noch weiter zu

00:47:20: verwenden und ab 2018 gehören Antidepressiva nicht mehr zu unserem Therapiekonzept.

00:47:26: Okay, verstehe, darf ich mal fragen, weil Sie ja immer quasi von Ihrer Erfahrung der

00:47:32: stationären Syrtherapie sprechen. Es ist ja schon so, dass man sowas ja häufig nicht so ganz

00:47:40: machen kann, ohne dass das Umfeld dann auch mitbekommt, so weil, also klar kann man, wenn es

00:47:45: kurz ist für zwei Wochen, dann kann man sagen, ich war im Urlaub oder so was, also noch versuchen,

00:47:49: so ein bisschen abzudecken, aber man weiß ja meistens, wenn man einen stationären Aufenthalt

00:47:53: beginnt, nicht unbedingt, wie lange es ist. Wo würden Sie denn sagen, liegt denn so die Grenze,

00:47:58: wo man sagt, okay, da kann ich jetzt in die Verhaltenstherapie auch ambulant gehen und wo ist

00:48:02: sozusagen der Anlass für eine stationäre Behandlung und wie viel haben Sie vielleicht auch

00:48:07: Vergleiche, wie viel effektiver der stationäre Aufenthalt dann wäre? Also, zum einen, wann

00:48:15: ist die stationäre Behandlung angezeigt, dass, also es gibt Patienten, die sind schwer depressiv und

00:48:23: kommen trotzdem halbwegs noch im Leben zurecht. Das sprich, sie können ihre Wohnungen in Ordnung

00:48:30: halten, sie können sich selber pflegen und vernünftig ernähren und schleppen sich vielleicht

00:48:36: auch noch zur Arbeit, aber das geht vielleicht auch noch und das muss nicht stationär behandelt

00:48:42: werden, da wäre auch ein Psychotherapie dringend angeraten, aber das kann ambulant erfolgen.

00:48:47: Vollstattstelle Behandlung ist immer dann wichtig, wenn man seinen Alltag nicht mehr bewältigen kann,

00:48:54: wenn man seinen Tag nicht mehr strukturieren kann, sich nicht mehr versorgen kann und natürlich,

00:48:59: wenn es zu Suizid gedanken kommt. Also, lebensmüde Gedanken, die meisten depressiven Patienten

00:49:06: kriegen irgendwann solche Gedanken, lohnt sich das überhaupt noch und ich habe überhaupt keine Lust,

00:49:11: mehr zu leben. Das ist jetzt noch nicht dasselbe wie Suizidalität, aber es kann natürlich

00:49:18: dazu kommen und spätestens dann sollte man über eine vollstattstelle Behandlung nachdenken.

00:49:24: Und was würden Sie sagen jetzt aufgrund Effizienzgrad? Also, Vollstattstelle Behandlung ist es eben viel

00:49:32: intensiver. Man muss sich das eben so vorstellen, jemand, der aus seinen normalen Lebensbezügen

00:49:40: herausgehoben wird und auf einer Station eine Zeit lang lebt und wir reden hier von auf meiner

00:49:48: Station acht bis zehn Wochen im Durchschnitt. Der ist vollständig auf sich selber zurückgeworfen.

00:49:59: Das ist eine ganz andere Konzentration. Das ist auch nicht unbedingt angenehm. Also, wenn ich zu mir

00:50:06: komme, da weiß ich oft gar nicht, wen treffe ich eigentlich dann an und vielleicht wird manchen

00:50:13: Patienten erst dann richtig bewusst, wie schlecht es ihnen geht, wie schlecht es ihnen schon seit

00:50:17: langer Zeit geht. Zugleich kann man im Vollstationen-Setting auch schlecht ausweichen. Es gibt

00:50:26: wenig Ablenkung, es gibt Einzelgespräche, mehrere Provenz, es gibt Gruppen, es gibt die Routinen

00:50:36: des stationären Ablaufes und man ist wirklich angehalten, sich vielleicht zum ersten Mal

00:50:43: im Leben mit sich und seinen eigenen Themen zu beschäftigen. Man kann es vielleicht vergleichen

00:50:50: mit einem Dampfkochtopf, der unter hohem Druck bestimmte Garungsprozesse viel schneller erreicht

00:51:00: als Kochen auf kleiner Flamme. Da kommt man auch ins Ziel, aber es dauert länger. Ich verstehe.

00:51:07: Ein sehr gutes Beispiel. Bei der nächste Frage ist durchschnittlich über Handlungszeit,

00:51:11: sagen Sie, sind so acht bis zehn Wochen. Es ist ja dann in der Tat etwas, was man nicht so

00:51:15: einfach in einer Umwelt verschweigen kann, sondern das ist ja das, was dann eben halt auch präsent

00:51:19: wird. Das hatten Sie auch. Warum sollte man das in einer Umwelt verschweigen? Klar ist,

00:51:25: das geht nicht unbedingt, seit den Chefs was an oder Kollegen, da muss man überlegen. Aber

00:51:30: warum sollte man daraus ein Geheimnis machen? Ich finde schon, ich bin ganz glücklich darüber,

00:51:37: dass ich das Gefühl habe, da komme ich auch gleich zu meiner nächsten Frage, aber dass ich das

00:51:41: Gefühl habe, dass es weniger stigmatisiert ist als früher, aber weniger heißt ja nicht gar nicht

00:51:46: mehr. Das ist der Punkt eins, weswegen ich damit anfange. Ich hoffe, dass es irgendwann so weit

00:51:52: ist, wie es dann vielleicht auch in der USA, man kann dann auch mal gleich ein bisschen übertrieben

00:51:55: ist, so nach dem Motto Mensch, wo jeder sozusagen über seinen großartigen Therapeuten spricht. Aber

00:52:01: ich würde sagen, da sind wir in Deutschland noch nicht ganz so weit. Da wird die ganze

00:52:05: Thema mentale Gesundheit steht nicht auf der gleichen Stellenwert wie eine physische Einschränke.

00:52:13: Also wenn ich jetzt sozusagen das Bein breche, dann würde ja keiner sagen, Mensch, warum machst

00:52:17: du da jetzt ein Gips drum oder verstehen, was ich meine. Aber während bei mentaler Gesundheit ja

00:52:24: häufig ist auch immer aufgeschoben wird. Auch das würden wir nicht tun. Wenn wir ein Knochenbruch

00:52:27: haben, würden wir ja nicht sagen, da kümmere ich mich mal drum, wenn ich dafür Zeit habe. Im

00:52:32: Augenblick brauche ich das Bein noch, was ja einfach der Faktor nicht geht, weil man es ja eh nicht

00:52:36: benutzen kann. Also verstehen Sie, was ich meine. So und da, da glaube ich, sind wir in Deutschland

00:52:40: noch nicht ganz so weit. Nichtsdestotrotz, meine Frage, die ich gerne da anschließen möchte,

00:52:44: ist, man hat ja schon das Gefühl, dass wir eine massive Zunahme von Depressionen beobachten.

00:52:50: So und da wäre für mich die Frage, liegt es einfach daran, dass sich mehr darüber beschäftigt

00:52:56: wird, dass also insgesamt mehr aufgedeckt wird? Oder liegt es daran, dass sich auch vielleicht

00:53:01: gesellschaftliche Faktoren verändert haben, so dass es dazu führt, dass wir auch mehr

00:53:07: Depressionsfälle haben? Ja, das ist eine schwierige Frage. Also die ist nach meiner Wahrnehmung

00:53:13: auch in der Fachliteratur noch noch umstritten. Und wenn man jetzt wirklich herausfindet, scheint

00:53:21: ja einfach leicht zu sein, muss man ja bloß auszählen, wie viele Patienten gibt es. Aber

00:53:26: Sie hatten in Ihrer Frage gesteckt, dass ja auch schon drin so methodische Schwierigkeiten dabei. Wenn

00:53:32: es mehr Fälle gibt von Depressionen, mehr ambulant oder stationäre behandelte Fälle, kann das auch

00:53:42: die Folge sein, zum Beispiel eine erhöhten Sensibilität für das Thema und einer verstärkten

00:53:49: Anstruchnahme von Angeboten des Gesundheitswesens, ohne dass es mehr Fälle als früher gibt. Das ist

00:53:56: nicht so leicht auseinanderzuhalten. Was man relativ sicher sagen kann, es gibt nicht weniger

00:54:05: Depression als früher. Also da gibt es, glaube ich, keinen, der das behaupten würde. Ob das

00:54:10: angestiegen ist oder nicht, das ist eine andere Frage. Es würde mich nicht wundern, weil bestimmte

00:54:17: soziögonomische Bedingungen haben sich einfach verschlechtert, die dann mit einem erhöhten

00:54:27: Depressionsrisiko einhergehen. Aber da möchte ich mich gar nicht so weit aus dem Fenster lehnen.

00:54:31: Einen anderen Zusammenhang möchte ich hier erstellen. Wenn man bedenkt, wie sehr die

00:54:37: Verschreibung von Antidepressiva zugenommen hat, das gibt zum Beispiel eine Zahl, eine Statistik von

00:54:47: 1990 bis 2015, Verzehnfacht in Deutschland, Verzehnfacht, die Anzahl der Verschreibung,

00:54:57: dann ist es bemerkenswert, dass in dem Maße die Depression nicht zurückgegangen ist,

00:55:03: sondern zumindest gleichgeblieben, vielleicht sogar angestiegen ist, wirft auch nochmal ein

00:55:08: bestimmtes Licht auf die Wirksamkeit von Antidepressiva. Absolut. Wenn ich jetzt mal wieder ganz

00:55:14: kurz von den Antidepressiva entferne und ich weiß, dass sie natürlich mit einer stationären

00:55:21: Klinik schon die deutlich schwereren Fälle behandeln. Nichtsdestotrotz. Ich finde dieses

00:55:26: ganze Thema der frühkändlichen Prägung, wie wir die wir jetzt schon mehrfach gesprochen haben,

00:55:30: ich habe manchmal das Gefühl und da würde mich ihre Meinung, auch wenn sie vielleicht nicht über

00:55:36: Studien zu stützen ist, interessieren, dass eigentlich diese Themen aufzuarbeiten, nahezu

00:55:43: jedem gut tun würden. Also ich hätte so das Gefühl, dass es glaube ich kaum jemanden gibt,

00:55:47: dem es nicht gut tun würde, wenn man vielleicht mal sich in so eine Therapie, in so eine Behandlung

00:55:53: begeben würde, um gewisse Themen aufzuarbeiten. Oder glauben Sie, dass würde, also ich will

00:56:02: jetzt mal die Auswirkungen auf das Krankheitssystem und die Auslassung psychotherapeutinnen und

00:56:07: allen anderen mal völlig außen vor, aber würden sie mir grundsätzlich zustimmen, dass wahrscheinlich

00:56:11: 80-90 Prozent der Menschen eine Art von Therapie, Coaching, Gespräch über genau dieses Thema nicht

00:56:19: immer gut tun würden? Ja und nein. Also ich würde so sagen, ich glaube, dass es für jeden

00:56:31: Menschen gut ist, sich mit sich selber auseinanderzusetzen, mit seiner eigenen Herkunftsgeschichte,

00:56:36: mit seinem Werdegang gut in Kontakt mit sich zu sein, sich selber seine Gefühle zu ergründen

00:56:43: und das würde ich im Rahmen von normaler Persönlichkeitsentwicklung einordnen. Und ich würde dafür

00:56:52: jetzt auch nicht Leistungen des Gesundheitssystems in Anspruch nehmen, weil wir reden da nicht von

00:56:58: Krankheit, sondern von Persönlichkeitsentwicklung. Insofern, ja, da gebe ich Ihnen recht und

00:57:06: also ich würde das bei manchen meiner Mitmenschen wünschen, dass sie sich ein bisschen mehr

00:57:11: mit sich selber beschäftigen, aber sie sind nicht krank. Sie leiden vielleicht noch nicht

00:57:16: mal, vielleicht manchmal die Umgebung mehr als die Person selber. Wenn wir, ja, wenn Leistungen

00:57:25: des Gesundheitssystems und der Allgemeinheit der Kassenbeiträge sollten eben beschränkt

00:57:31: sein darauf, dass es wirklich Krankheit gibt, also wirklich die Fähigkeit, die Probleme

00:57:38: nicht mehr kompensieren zu können. Und ich hatte ja von gesagt der vollstationäre Bereich

00:57:43: es ja sowieso für die schwersten Fälle vorgesehen, die wirklich es nicht mehr alleine hinkriegen

00:57:48: können, wo sogar akute Gefährdungsmomente gegeben sind. Das ist vielleicht auch der

00:57:54: Grund dafür, wenn ich dann noch auf die andere Frage zurückkommen kann. Die Patienten, die

00:57:59: ich kennenlerne, bei denen, die können das gar nicht mehr verheimlichen, die, die, da ist

00:58:04: klar, dass sie im Gebenfall das schon längst mitbekommen, dass sie depressiv sind und

00:58:08: leiden. Es gibt ja relativ viele Menschen, die jetzt, sag ich mal, schon irgendwie in ihren

00:58:14: Siebzigern, vielleicht auch sogar Achtzigerjahren sind, die haben natürlich häufig auch gerade

00:58:19: so Nachkriegszeit wirklich viele, ich sag jetzt mal, nicht so gute frühkindliche Prägung

00:58:24: dann auch anfahren. Was würden Sie denn sagen, wenn jetzt jemand mit Mitte 70, 80 an, ich

00:58:31: will ja gar nicht mal um die Depression, aber häufiger Angstzustände oder Panikattacken

00:58:35: oder solchen Themen dann eben halt leidet, ist das etwas, wo man immer noch quasi in die

00:58:40: Therapie gehen kann und diese frühkindlichen Prägung vielleicht auflösen kann und dann

00:58:45: die hoffentlich noch folgenden fünf bis 50, 50 Jahre nicht, fünf bis 20 Jahre dann davon

00:58:53: befreit zu arbeiten oder würden Sie sagen, das ist dann schon unter so einem großen Berg

00:58:58: von Erfahrung dann begraben, dass man wahrscheinlich das nicht mehr ausgraben bzw. auch sein Verhalten

00:59:03: nicht mehr so ändern kann?

00:59:04: Ich finde auf jeden Fall, also wenn jemand, Sie hatten jetzt Panikattacken oder Angstzustände

00:59:11: benannt, also das ist ja ein massives Symptom, mit großen Einschränkungen verbunden und

00:59:18: man sollte dem auf jeden Fall auf den Grund gehen und zwar egal wie alt jemand ist und

00:59:24: das steht jetzt auch dem einer erfolgreichen Therapie gar nicht im Wege. Es ist immer wieder

00:59:32: die Frage der Änderungsmotivation, der Bereitschaft selbst Verantwortung zu übernehmen

00:59:39: und so. Das ist das, was den Unterschied ausmacht, ob eine Therapie erfolgreich ist oder nicht.

00:59:44: Aber nach meinen Erfahrungen, das Lebensalter spielt dabei keine besondere Rolle. Klar,

00:59:50: bestimmte Verheizmuster sind vielleicht bei einem 70-Jährigen viel eingefahrener als

00:59:59: bei einem 30-Jährigen, aber das heißt nicht, dass keine Änderung mehr möglich ist und

01:00:04: keine Weiterentwicklung überhaupt nicht.

01:00:06: Sie sprechen in Ihrem Buch ja auch über die konstruktive Aggression. Könnten Sie vielleicht

01:00:11: noch diesen Ansatz uns etwas näher bringen?

01:00:13: Ja gerne. Das ist, da unter Verstehen wir ein Verhaltenssystem, das sich in der menschlichen

01:00:22: Evolution herausgebildet hat, das ist sozusagen unserer theoretische Einordnung, dass das Ziel

01:00:31: hat oder den Sinn hat, die sozialen Beziehungen zwischen den Mitgliedern einer Gruppe eines

01:00:37: sozialen Systems zu regulieren und auszugestalten. Eine Gruppe, das kann eine Familie sein,

01:00:46: das kann ein Arbeitsumfeld sein, das kann eine eigene Partnerschaft sein, also sozusagen

01:00:52: die Zweiergruppe egal. Dahinter steckt so ein in der Evolutionsbiologie alt bekanntes

01:01:01: Problem, dass alle sozialen, lebenden Arten lösen müssen, nämlich die Balance zu finden

01:01:10: zwischen den kooperativen Interessen zwischen den Mitgliedern einer Gruppe und den Konkurrieren

01:01:16: in den Interessen. Das gibt es immer. Und eine Gruppe, bei der das nicht gut ausbalanciert

01:01:24: ist, die funktioniert nicht gut und das ist dann für keinen gut. Deswegen gibt es so

01:01:28: eine Notwendigkeit, dass es einen psychologischen Mechanismus gibt, auch bei Menschen, der das

01:01:34: Problem irgendwie löst. Das ist die konstruktive Aggression. Letzten Endes geht es darum,

01:01:43: dass man die eigenen Bedürfnisse, die eigenen Interessen, die eigenen Grenzen angemessen

01:01:51: in die Interaktion einbringt, dass man gut für sich sorgt, dass man das kriegt, was

01:01:58: man kommt, dass man sich abgrenzt, Darugrenzen überschritten werden. Das ist das, was konstruktive

01:02:04: Aggression will. Nun ist das ein problematischer Name, konstruktive Aggression, weil unter

01:02:11: Aggression eben im Allgemeinen was ganz anderes verstanden wird, nämlich Gewalt, Gewalttätigkeit

01:02:19: gezielt mit dem Wunsch andere zu schädigen, zumindest verbal zu schädigen, oft genug

01:02:25: physisch schläge etc. Das ist ein ganz anderes Verhaltensystem. Diese destruktive Aggression

01:02:33: hat mit konstruktive Aggression gar nichts zu tun. Das ist mal wichtig zu unterscheiden.

01:02:39: Konstruktive Aggression ist gewaltfrei, drückt sich aus über das, was man sagt und eben mindestens

01:02:45: genauso vielleicht sogar noch mehr die Art und Weise, wie man es sagt, Mimik, Tonfall,

01:02:51: das, wenn ich sage, das fand ich jetzt aber nicht gut, dass du das und das gemacht hast,

01:02:58: dann hat das viel weniger Wirkung als wenn ich sage, also das finde ich richtig Mist

01:03:03: und das muss jetzt aufhören. Also sozusagen, da ist viel mehr Nachdruck dahinter und zum

01:03:08: Beispiel in dem Fall wird deutlich, ich habe mich da gerade geärgert und ich will, dass

01:03:13: das endet. Aggressions, also die konstruktive Aggression ist wunderbar, um das alles zu

01:03:19: regeln und das miteinander so zu gestalten, dass das funktioniert, dass man dann den richtigen

01:03:23: Kompromiss findet, dass jeder das bekommt, was er braucht und die roten Linien eingehalten

01:03:28: will. Problem ergibt sich dann, wenn diese, das ist uns, das sozusagen, das ist uns auch

01:03:36: natürlich angeboren. Das muss kein Kind lernen. Jedes Kind hat ein gutes Gefühl dafür,

01:03:42: was fair ist und was nicht. Also so ein Gedankenexperiment, um dem Hintergrund von konstruktiver Aggression

01:03:52: sich anzunehren, stellen Sie sich vor, da sind zwei Kinder und sie wollen beiden eine Freude

01:03:57: machen und geben jedem von diesen Kindern einen Bombo. Beide werden sich freuen und vielleicht

01:04:06: dankbar sein und dann sagen sie, das war schön. Ich möchte die Freude der beiden Kindern noch

01:04:11: vergrößern und gebe ihnen jetzt noch mehr Bombo. Und dann geben sie dem einen zwei und

01:04:17: dem anderen vier. Wölligen sie, was dann passieren wird. Es wird wahrscheinlich nicht

01:04:23: so sein, dass die beiden Kinder sich noch mehr freuen. Das andere vielleicht doppelt sich,

01:04:28: das andere viermal so, nein, es wird was ganz anderes passieren. Es wird wahrscheinlich irgendwie

01:04:36: zu Problemen, zu Stress, zu was Konflikthaftung kommen. Weil das Kind mit den zwei Bombo's

01:04:43: wird sich benachteiligt fühlen, wird es irgendwie unfair finden. Warum eigentlich das Problem

01:04:48: könnte man fragen. Das hat doch mehr als vorher, es hat auf jeden Fall einen Gewinn. Aber so einfach

01:04:53: ist das eben nicht. Und dieses intuitive Gefühl, das ist unfair. Vielleicht auch das Kind das

01:05:02: vier Bombo's bekommt. Vielleicht ist es für das Kind auch nicht angenehm, weil das das nicht gerecht

01:05:06: findet, dass das andere benachteiligt wird. Das ist angeboren. Das ist vielleicht so wie die

01:05:13: Fähigkeit zur Sprache, die ist uns Menschen ja auch angeboren. Welche Sprache wir lernen,

01:05:18: welchen Dialekt wir lernen, das hängt von dem Umfeld ab. Aber dass wir sprechen lernen,

01:05:23: das liegt in unseren Genen. Und so kann man das auch bei der Fähigkeit zur konstruktiven

01:05:29: Aggression annehmen. Und wie sich die ausdrückt. Das wird einmal biografisch gesteuert durch

01:05:37: die Modelle der Eltern. Das wird auch durch die Kultur, indem man sich entwickelt, gesteuert

01:05:43: und individuell eingefärbt. Das ist normal. Problematisch ist, dass dabei sowohl biografisch

01:05:51: als auch kulturell Einflüsse geben kann, die diese konstruktive Aggression hemmen. Und Aggressionshemmung

01:05:59: führt dazu, dass ich mich eben nicht genug einbringe. Es gibt hier so die Redensartleute,

01:06:08: die immer gerne den unteren Weg gehen. Die Konflikten aus dem Weg gehen lieber,

01:06:14: die sich immer eher zurücknehmen. Beispiel, da ist nach einem Essen auf dem Tisch noch ein leckeres

01:06:22: Stück Fleisch übrig. Und Menschen mit Aggressionshemmung würden niemals sagen, auch hätte ich das gerne.

01:06:29: Und wenn da alle am Tisch Aggressionsgehemmt sind, dann ist es keiner. Dann wird es weggerufen,

01:06:35: wo möglich. Nee. Und jemand, der so konstruktiv aggressiv für seine Bedürfnisse sorgen kann,

01:06:41: der fragt, vielleicht möchte das vielleicht noch jemand von euch haben, wenn nicht, okay,

01:06:45: dann nehme ich das jetzt und sorg dann für sich. Aggressionsgehämte kommen immer zu kurz. Lassen

01:06:55: zu, dass ihre Grenzen überschritten werden, sorgen nicht dafür, dass sie kriegen, was sie

01:06:59: gerne hätten oder vielleicht sogar brauchen, leiden. Untersuchungen haben gezeigt, dass Menschen,

01:07:05: die aggressionsgehämt sind, in allen Lebensbereichen unzufrieden sind. Wir reden hier von gesunden,

01:07:12: ohne Diagnosen, ohne Behandlung, sind einfach unzufriedener in ihrem Leben, im Bereich Wohnen,

01:07:19: im Bereich soziale Kontakte, Beziehung, Sexualität, Partnerschaft, überall unzufrieden. Und was wir

01:07:26: eben festgestellt haben, dass die Hemmung der konstruktiven Aggression auch ein Risikofaktor

01:07:33: für die Entwicklung einer Depression ist. Im Durchschnitt sind alle unsere Patienten,

01:07:39: die wir mit Depressionen aufnehmen, ausgesprochen stark aggressionsgehämt. Und Ziel der Behandlung

01:07:48: ist, diese Aggressionshemmung zu reduzieren, den Zugang zur konstruktiven Aggression zu fördern.

01:07:54: Das fängt oft damit an, dass die Patienten lernen, es ist gar nicht schlimm, wenn ich

01:07:59: nicht mal über jemanden ärgere, es ist sogar gut. Oder dass sie lernen, ich muss gar nicht die

01:08:05: Wünsche aller anderen immer erfüllen. Ich muss nicht jeden Gefallen erfüllen, um den ich gebeten

01:08:10: werde. Ich kann auch durchaus prüfen, ist das für mich jetzt gerade in Ordnung. Ich kann auch mal

01:08:14: nein sagen. Und wenn der andere sich dann vielleicht enttäuscht ist oder sich ärgert über mich, ist

01:08:21: es auch nicht schlimm. Das muss man lernen und sich anregen. Dahinten sitzen oft Befürchtungen,

01:08:28: frühkindliche, schädliche Glaubenssätze und und und. Aber man kann das lernen, man kann das

01:08:33: überwinden und neue Erfahrungen machen. Und es gelingt auch ganz gut in der Behandlung, dass das

01:08:40: Patienten, dass die Aggressionshemmung eben ganz deutlich von der Aufnahme bis zur Entlassung

01:08:45: zurückgeht. Was wir festgestellt haben ist, dass die, die, das Ausmaß der Depressivität eben auch

01:08:55: davon abhängig ist wie aggressionsgehämmtes jemand und der Behandlungserfolg ist umso größer,

01:09:01: je geringer die Aggressionshemmung am Ende der Behandlung ist, also je höher der Behandlungserfolg.

01:09:06: Wir haben festgestellt, dass die eine, eine geringe Aggressionshemmung, also eine erfolgreiche

01:09:14: Behandlung auch noch ein halbes Jahr nach Entlassung weiter wirkt. Ich hatte ja gesagt,

01:09:20: wir schreiben die Patienten auch noch an, ein halbes Jahr nach Entlassung, die meisten antworten.

01:09:24: Und wir können quasi vorher sagen, wie depressiv ein Patient ist, ein halbes Jahr nach Entlassung.

01:09:30: Das können wir vorher sagen damit, wie, wie, wie stark die Aggressionshemmung noch war oder

01:09:37: wie, wie gut sie zurückgegangen ist. Wir können sogar in gewissen, mit gewissen Grenzen

01:09:44: vorhersagen, ob es innerhalb des Jahres nach der Entlassung noch zu einem Rückfall kommt,

01:09:48: mit Wiederaufnahme. Auch das innerhalb dieses Jahres passiert ja sehr viel, sehr viele,

01:09:56: vielleicht unerwartete Ereignisse, Veränderung zwischen durch auch Behandlung. Aber wir können

01:10:01: eben sagen, die Patienten, die stationär zurückkommen, die wieder depressiv geworden sind,

01:10:07: stationär behandelsbedürftig wurden, das sind die, die bei Entlassung auch noch sehr stark

01:10:13: Aggressionsgehemmt waren. Das ist schon bemerkenswert, weil das sich so weitreichend

01:10:21: auswirkt, dass es hat überhaupt nichts zu tun mit der Frage, ob jemand eine Antidepressivung

01:10:27: bei Entlassung nimmt oder nicht. Das hat überhaupt keinen prädiktiven Wert. Aber dieser

01:10:33: psychologische Faktor der Aggressionshermung, der ist wichtig. Vielen Dank. Vielen Dank, dass

01:10:38: Sie das so ausführlich erläutert haben. Ich finde, das gibt einen ganz guten Blick. Und ich

01:10:42: erkenne gewisse Muster wieder, die ich schon häufiger hatte mit Menschen, die nach einer Therapie

01:10:47: zurückgekommen sind, wo man genau das beobachten kann. Teilweise muss ich sagen, ist es da ein relativ

01:10:53: schmaler Grad zwischen einem, ich sehe, wie Sie es sagen, konstruktive Aggression, aber auch etwas,

01:11:00: was man vielleicht teilweise so als einen sehr starken ausgeprägten Egoismus dann eigentlich

01:11:06: auch interpretieren könnte. Also ich finde, es ist immer ganz interessant, dass es ja quasi

01:11:13: den Sweetspot von jemanden, der vorher immer nur bereit war, zurückzugehen, nur geben wollte,

01:11:19: ist natürlich eine gewisse Art von Wesensveränderung immer mit den Verbunden. Nur ich habe manchmal

01:11:23: das Gefühl, dass diese Tür, die sozusagen vorher in die falsche Richtung stand, sehr stark in eine

01:11:30: andere Richtung dann geschwungen ist. Ja, mag sein in Einzelfällen. Aber grundsätzlich ist das eigentlich

01:11:40: eher die Befürchtung von Menschen mit Aggressionshämmung, wenn ich denn für mich einstehe, wenn ich

01:11:46: zum Beispiel Frage kann, kann ich dieses Stück Fleisch haben, bin ich dann nicht egoistisch. Das

01:11:54: ist ja auch kein gutes Therapieziel, das Leute egoistischer sagen, das würde ich auch niemanden

01:11:59: so anraten. Es geht nur darum, nicht, also die eigenen Bedürfnisse und Grenzen für wichtig zu

01:12:08: halten und die eben auch mit einzubringen. Ich habe das sehr gut verstanden. Sie haben es ja sehr,

01:12:14: sehr gut erklärt. Ich habe nur gesagt, dass eben meine Erfahrung teilweise ist, dass die Menschen aus

01:12:19: der Therapie manchmal eben halt zu diesem Punkt von ich bin bereit nur zurückzutreten hin zu einer

01:12:26: gewissen ja schon auch eine Art von sehr stark ausgeprägten Egoismus dann in dem Sinne sind

01:12:33: so nach dem Motto so, jetzt muss ich mich hier aber mal durchsetzt. Jetzt muss ich nicht zu kurz

01:12:37: um mich, jetzt muss erstmal ich, ich, ich sozusagen. Aber nächstes Rassi, ich will damit gar nicht,

01:12:42: gar nichts kritisieren, sondern keine Beobachtung. Nein, nein, nein, ich glaube Ihnen, wenn Sie die

01:12:48: Erfahrung gemacht haben, dann keinen Zweifel, ich versuche das nur zu erklären. Ja, also ein

01:12:55: Aspekt könnte dabei sein, dass es sozusagen Leute, die vielleicht die ersten 30 Jahre ihres

01:13:02: Lebens viel zu sehr zurückgesteckt haben, dass die jetzt erstmal in das andere, in die andere

01:13:08: Richtung ein bisschen zu sehr überreguliert sind und dann hat das so was Egoistisches und sie

01:13:14: haben vielleicht noch gar nicht so die richtige Mitte gefunden. Das mag sich dann so auswirken.

01:13:18: Aber wenn sozusagen das Ergebnis einer Therapie war, dass da eine Egoistien entstanden ist,

01:13:23: da ist was schiefgefallen. Na ja, gut, wollen wir auch nicht hoffen, aber zumindest hoffe ich dann

01:13:29: für die Person, die dann die Tür erstmal oder das Panel erstmal sehr stark in die andere Richtung

01:13:32: schwingen lassen haben, dass die dann irgendwann mal wieder in den balancierten Bereich zurück schwingen.

01:13:36: Was der hilft, ist die konstruktive Aggression des Umfells. Ja. Also das soll uns ja auch vor

01:13:43: dem Egoismus anderer schützen. Das gibt es ja durchaus. Unsere Mitmärzungen sind ja nicht

01:13:48: alle nur Engel und es ist eben gut, da seine Grenzen zu haben. Wenn man nur von Menschen umgeben ist,

01:13:54: die rücksichtsvoll und vorausseilend gehorsam sind, dann braucht man keine konstruktive Aggression.

01:14:00: Das machen die anderen, aber so ist es nicht. Wir kommen jetzt langsam zum Ende. Wenn wir jetzt,

01:14:07: Sie haben jetzt nochmal die Chance, eine Hoffnung für alle Betroffenen auszusprechen,

01:14:10: was wünschen Sie sich für Menschen, die an Depressionen leiden und ihr Buch lesen?

01:14:14: Also, was ich mir wünsche, was wirklich auch meine Intention war, also in dieses Buch ist

01:14:24: wirklich der größte Teil meiner Erfahrung eingeflossen, die ich als Wissenschaftler und

01:14:28: als Therapeut mit Depressionen gemacht habe. Ich möchte zuallererst, dass die Patienten verstehen,

01:14:37: warum sie depressiv geworden sind. Ich fange nochmal an. Es sind ja nicht alles depressiv.

01:14:43: Also, ich möchte zuallererst klarmachen, dass man Depression verstehen kann, dass das nicht etwas

01:14:51: ist, was wie ein Gewitter über uns hereinbricht und schicksalhaft und dass man letzten Endes nur

01:15:01: warten muss, bis das hoffentlich irgendwann mal vergangen ist, wie ein Gewitter, das eine Gewitterwurke,

01:15:08: die weiterzieht, sondern nein, man kann das verstehen, man kann es erklären und man kann es

01:15:13: erklären allein aus psychologischen und sozialen Faktoren. Ich möchte aufräumen mit diesen Mythen,

01:15:21: die da existieren, die letzten Endes darauf hinauslaufen, Depression ist wie eine körperliche

01:15:27: Erkrankung und man muss sie mit biomedizinischen Methoden behandeln. Ich möchte klarmachen,

01:15:31: dass das ein Irrweg ist, dass das letztlich nicht funktioniert und dass viele dieser Mythen

01:15:38: von dem Marketingabteilung der Pharmaindustrie aufrechterhalten worden sind, zum Teil nachweislich

01:15:46: gegen die wissenschaftliche Evidenz aufrechterhalten worden sind, weil sie einfach eine gute

01:15:52: Begründung für den Absatz der Medikamente darstellen. Leider sind diese Kapanien so erfolgreich,

01:15:58: dass sich bestimmte Mythen bis heute halten. Also zum Beispiel die Serotoninhypothese ist nicht

01:16:03: stichhaltiger als die These, dass die Erde eine Scheibe ist. Da ist nicht mehr dran, das weiß

01:16:10: auch jeder, der sich mit der Materie beschäftigt und dennoch hält sich das. Und ich möchte die

01:16:19: Botschaft vermitteln, dass man nicht warten muss, dass es sogar schlecht ist zu warten, sondern dass

01:16:26: man eben selber etwas tun kann, um aus einem depressiven Zustand herauszukommen. Das sind

01:16:34: einfache Rezepte. Depression hat viel zu tun mit Passivität. Da ist zum Beispiel auch die

01:16:41: Vorstellung, ich muss warten bis meine Depression vorbei ist, weil ich da gar nicht alleine was

01:16:46: machen kann. Das ist per se schon Teil der Depression ein solches Denken. Und zu warten,

01:16:52: bis man wieder Lust hat, irgendetwas zu tun in einer Depression führt oft dazu, dass man so

01:16:57: lange wartet, bis man schwarz wird. Das ist ein typisches Merkmal, dass man einfach keine Lust mehr

01:17:02: hat. Zum Glück muss man nicht Lust haben, um wieder aktiv zu werden, sondern man muss es nur tun.

01:17:07: Und dazu gehört aber auch das Verständnis, dass Aktivität zum Beispiel ein Weg ist,

01:17:15: aus der Depression herauszukommen. Und natürlich muss das eigene Denken, die eigenen depressiven

01:17:23: Grundüberzeugungen in Frage stellen. Wenn man das alleine nicht schaffen, das ist oft sehr schwer.

01:17:29: Dann gibt es Psychotherapie, Ambulante und eben auch stationäre therapeutische Angebote, die aber

01:17:37: letzten Endes genau das gleiche Ziel haben, dieses Verständnis für Therapie zu fördern,

01:17:42: dieses Verständnis für Depression zu fördern und den Menschen wieder autonom zu machen.

01:17:52: So autonom wie möglich, dass er wieder in der Lage sein Leben selber zu gestalten.

01:17:56: Und ich finde, ein Punkt, den Sie sehr klar gemacht haben, es ist einfach de facto eine

01:18:01: Krankheit und es ist de facto etwas, wo man sich für professionelle Hilfe holen sollte,

01:18:05: ob sie jetzt stationär oder ambulant ist, ist es auf jeden Fall so, dass man sie nicht einfach

01:18:11: durch eine Pille beseitigen kann, noch dass man abwarten kann, bis man irgendwie was,

01:18:18: was nicht wieder die Sonne scheint oder einen lustigen Film sieht und damit ist dann irgendwie

01:18:22: bereinigt ist. Dann sage ich ganz herzlichen Dank, Herr Professor. Vielen Dank für das Gespräch.

01:18:29: Für alle, die jetzt tiefer einsteigen möchten in die Materie, den empfehle ich das Buch Depression

01:18:34: Überwinden ohne Antidepressiv. Es ist erschienen im Triers Verlag und von dem Autor Professor

01:18:39: Dr. Reinhard Maas, dem ich jetzt noch einmal ganz herzlich Danke sage. Sehr gerne.

01:18:43: Ich stelle vielen Dank auch Ihnen für die Anfrage und das Gespräch.

01:18:47: Haben Sie eigentlich ein Lieblings-Supplement, was Sie nehmen regelmäßig?

01:18:54: Nein, nein, nein. Ich trinke dafür sorg meine Frau jeden Morgen so einen bestimmten Saft.

01:19:03: Ich weiß gar nicht genau, was da drin ist. Der ist aber gut für das allgemeine Befinden

01:19:09: für die Verdauung. Aber, ne, ich ernehm mich eigentlich so normal, esse gerne, was mir

01:19:15: schmeckt. Aber ich kann nicht mehr so viel voll von all dem essen, was mir schmeckt.

01:19:23: Leider, das war früher anders.

01:19:25: Wenn euch diese Folge gefallen hat, würde es mir sehr helfen, wenn ihr eine Bewertung

01:19:29: bei Apple Podcast oder Spotify hinterlasst. Damit ihr nichts verpasst, abonniert unseren

01:19:33: Newsletter. Dort geht es nicht nur um diesen Podcast. Meistens stellen wir euch da ganz

01:19:38: neue Produkte vor, zu denen es dann auch immer ein Einführungsrabattcode gibt, der aber nur

01:19:42: 24 Stunden gültig ist. Und das wäre ja blöd, wenn man das verpasst. Also, den Newsletter

01:19:47: findet ihr unter www.sunday.de/newsletter.

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